Dieses Seminar bietet eine intensive Selbsterforschung an für Menschen, die schon psychotherapeutisch an sich gearbeitet, Meditationserfahrung haben und/oder selbst therapeutisch arbeiten.
Wir wollen zu unserer eigenen inneren Wahrheit und zu den Fähigkeiten unserer Seele zur Selbstheilung und Selbstorganisation zurückfinden.
Unser Denken erzeugt und erhält die Illusion, wir könnten mit Hilfe unseres Ich (Ego) unser Leben kontrollieren. Dies schafft jedoch auch eine – meist vergebliche – Anstrengung, mitunter bis zum "burn-out“. Dagegen erfahren wir Unterstützung des Seins, wenn wir in Übereinstimmung mit unserer inneren und äußeren Realität und den Bewegungen der Seele* leben.
Wir können lernen, zwischen der Weisheit der Seele und den Überzeugungen des Egos zu unterscheiden. Die Fähigkeit zu Spüren und ein klares Denken sind dazu notwendig.
Die angebotenen Übungen sollen es ermöglichen, uns dem Anderen und uns selbst gegenüber ehrlich und achtungsvoll zu öffnen. Unterstützen wird uns dabei ein guter Umgang mit dem „Inneren Richter“ (=Über-Ich). Erkenntnisse der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, der Körperarbeit, der Hirnforschung und verschiedener spiritueller Traditionen werden dabei genutzt.
Im Mittelpunkt stehen Übungen zur Selbsterforschung, die gut in den Alltag integrierbar sind. Entwickelt wurden sie ursprünglich als "Inquiry" des "Diamond Approach" von A.H. Almaas.
Hunter Beaumont und *Gila Rogers verdanke ich eine tiefe Begegnung mit dieser Selbsterforschungsarbeit und den Bewegungen der Seele*.
Erkenntnisse aus der Gestalttherapie, dem Familienstellen sowie aus tiefenpsychologisch-fundierten und körpertherapeutischen Verfahren können einfließen.
Es werden verschiedene Meditationen angeboten.
Nächste Möglichkeit des Einstiegs in die fortlaufende Gruppe: November 2024
Das Seminar ist fortlaufend. Sie verpflichten sich aber nur für die Teilnahme für ca. 8 Monate (10 Abende und ein Samstagstermin)- mit der Möglichkeit weiterzumachen.
Dienstag-Abends ca. 14-tägig jeweils (19.00 - 21.00 Uhr), oder Mittwoch-Abends ca. 14-tägig (17:10 - 19:10 Uhr).
Das Seminar findet im n.e.w.-Raum im Vauban, Freiburg statt.
Kosten: € 380.
Nächste Sequenz: ab November 2024 ist wieder ein Einstieg möglich - die Teilnahme an einem Einführungsseminar (Mittwoch 18.09. 2024 - s.u.) ist erforderlich.
Einzelseminar zum Kennenlernen der Arbeit
Selbsterforschungsgruppe - Inquiry
Wachstum im Kontakt mit den Bewegungen der Seele*
Mittwoch, 18.09. 2024 - 17:10 - 19:10 Uhr (ist Voraussetzung für die Teilnahme am fortlaufenden Seminar ab September).
Bitte mit Anmeldung!
n.e.w.-Raum, Villaban, Vauban, Maire-Curiestr. 1, 1.OG.
Kosten: 35,- €
In meinem Buch "Sich selbst erforschen" im arbor-Verlag gibt es auch eine ausführliche Einführung.
Anmeldung und weitere Info: unter "Kontakt"
Es handelt sich um eine Begleitung im Sinne der psychotherapeutischen ärztlichen Heilkunde (tiefenpsychologisch fundiert), die dem Schutz der Gesundheit und des Gesundheitsverständnisses des Teilnehmers, zur Heilung oder Linderung von Leiden und zur vorbeugenden Gesundheitspflege dient, daher mehrwertsteuerfrei ist.
Leitung: Dr. med. Josef Rabenbauer, Facharzt für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin.
* Die Arbeit mit den Bewegungen der Seele stammt von Gila Rogers
Die Klimakrise ist ein menschliches Phänomen: eine Konsequenz aus dem, wie wir leben, wie wir uns auf die Erde und auf einander beziehen.
Es ist nicht „die Klimakrise“, die uns bedroht. Es ist unser gegenwärtiges gesellschaftliches Verhalten, es ist unsere gewohnte Art auf Kosten Anderer „gut“ und „selbstverwirklicht" zu leben, es ist unsere Kultur von Individualisierung – das heißt oft auch Unsolidarität, Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit, ja Unberührbarkeit, die uns und unsere Umwelt, unser Klima und so viele Lebensformen zerstört.
Sich nicht berühren und erschüttern zu lassen, ist eine Form von Abwehr: ein zutiefst menschlicher psychischer Mechanismus, der uns eigentlich schützen soll - ungeprüft aber zu Kontaktlosigkeit zu uns und anderen und zur Zerstörung führt.
All das an sich heranzulassen, ohne eine Lösung zu haben, scheint einfach unerträglich. Und doch ist Berührbarkeit die Basis unserer Menschlichkeit, unseres menschlichen Kontakts. Erst durch „gefühltes Wissen“, durch Berührbarkeit und Bewusstwerden unserer Verletzbarkeit sehen wir das Ausmaß der drohenden Katastrophe wirklich klar - und erst dann können und werden wir angemessen handeln - vor allem aber spüren wir wieder mehr Verbindung – mit uns selbst, mit anderen, mit unserer Um-Welt. Natürlich ist besonders im Kontext der Klimakrise, die so viele heftige Gefühle auslöst, auch die Abwehr dagegen besonders stark.
Abwehr will uns schützen. Wir wollen schwierige Gefühle nicht spüren, da wir unbewusst davon ausgehen, sie seien unerträg
lich.
Dies ist erst mal eine gute Absicht unserer Psyche, die aber problematische Folgen hat: Wir kriegen die Wirklichkeit nicht mehr mit, können uns letztlich weniger schützen – und wir werden unberührbarer, ja unmenschlicher, uns selbst und anderen gegenüber.
Gefühle, die mit der Klimakrise auftauchen und die wir abwehren, sind:
Diese Abwehrversuche sind menschlich, aber zugleich ein Haupt-Hindernis, effektiv mit den Herausforderungen umzugehen. Klima-PsychologInnen sprechen bereits von „environmental melancholia“, „Pre-Traumatic-Stress- Syndrom“ oder „eco-anxiety“ - diese sind nicht als "Krankheits-Diagnosen" zu verstehen, sondern als angemessene Reaktionen auf die Krise.
Wir brauchen Unterstützung, Gemeinschaften, Austausch, um unsere Gefühle zu erlauben und intelligent mit ihnen umzugehen.
Auch ein Sortieren ist notwendig: Die Klimakrise trifft auch in jedem von uns auf persönliche Vorerfahrungen.
Die Ängste können alte, kindliche Gefühle triggern, die wir als hilflose Kinder unseren mächtigeren Eltern gegenüber hatten, wenn diese nicht angemessen, nicht verantwortlich mit ihrer Macht umgingen – ebenso wie wir heutige Akteure in der Politik und Wirtschaft erleben.
Dies kann Hass hervorrufen, um Gefühle von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit abzuwehren, Hass gegenüber Eltern, Regierung und allgemein Menschen, die wir als unverantwortlich erleben. Doch Hass, der blind ausagiert wird, hilft uns nicht.
Allein das Erforschen, Erlauben, Bewusst-werden schwieriger Gefühle verändert schon unsere Situation – Abwehr funktioniert nämlich am besten unbewußt.
Wichtige Schritte wären demnach:
Selbstfürsorge und nachhaltiger Aktivismus für F4F, P4F, XR und alle Interessierten werden angeboten.
Unsere Seite mit Texten zur Klimakrise: Klimasychologie und Kommunikation und Metakrise
Fakten:
https://rebellion.earth/2018/11/17/the-climate-factsheet-for-rebels/
Aufruf von Psychologists / Psychotherapists for Future:
Mehr als 1.800 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner haben den Aufruf zu den Protesten für mehr Klimaschutz bereits unterzeichnet
psychologistsforfuture.org
Klima-Psychologin Sally Weintrobe:
http://www.sallyweintrobe.com/wp-content/uploads/2015/10/Ecologist-paper.pdf
Extinction Rebellion Buddhisten
Taoism: Shit happens!
Confucianism: Confucius says "Shit happens".
Buddhism: Shit happening is an illusion.
Islam: Shit happening is the will of Allah.
Judaism: Why does shit always happen to us?
Zen: What is the sound of shit happening?
Hinduism: This shit has happened before.
Catholicism: If shit happens, you deserve it..
Calvinism: Shit happens because you don't work hard enough.
Christian Science: If shit happens, pray and it will go away.
Protestantism: Let shit happen to someone else.
Atheism: Shit happens for no reason.
Agnosticism: Maybe shit happens, maybe it doesn't.
Hare Krishna: Shit happens, happens, happens!
Stoicism: Shit happens; I can take it.
Jehova's Witnesses: Let us in and we'll tell you why shit happens.
Rastafarianism: Let's smoke this shit and see what happens.
...ein Zitat von Lou Andreas-Salomé:
"... und da kommt nun etwas und nimmt einen hin, und man gibt sich hin, - und man rechnet nicht mehr, und hält nichts mehr zurück, und begnügt sich nicht mehr mit Halbem,- man gibt und nimmt , ohne Überlegung, ohne Bedenken, fast ohne Bewußtsein,- der Gefahr lachend, sich selbst vergessend,- mit weiter, weiter Seele und ohnmachtumfangenen Verstande,-- und das, das sollte nicht das Höhere sein?..."
...Manchmal stehst Du da, von eigenen Worten berauscht und siehst so schön aus!...
SIE ZIRPEN UNAUFHÖRLICH IN DEN BÄUMEN UND SIE REDEN UNAUFHÖRLICH IM KOPF DIE GRILLEN UND DIE GEDANKEN
(von Rainer Maria Rilke)
Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen – und dann gebären...
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit...
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.
Vortrag.
Danke, Klaus für die Einladung und einen recht herzlichen Gruß an Euch alle. Viele von Euch sind alte Freunde und wissen schon, worum´s mir geht. Andere sind neu und für die Neuen möchte ich ein paar Bemerkungen als eine Art Einführung oder Einleitung sagen.Wenn ich sowas präsentiere, berichte ich über die Erfahrungen, die ich in meiner langjährigen psychotherapeutischen Tätigkeit gemacht habe, d.h. alles, was ich sage, bezieht sich auf reale Menschen. Ich zitiere die Literatur im Laufe des Vortrages nicht. Ich möchte am Anfang aber die Haupt-Kollegen erwähnen, mit denen ich mich intellektuell und in der Praxis verbunden fühle und die auf mich eine starke Wirkung haben und Unterstützung anbieten.Meine erste Erfahrung schon als junger Mann war mit den Jungianern - Jung selbst habe ich nicht persönlich getroffen natürlich, aber seine Schriftwerke - später James Hillman, Joseph Cambell. Ich war lange Jahre sehr eng mit der Gestalttherapie (Fritz Perls, Robert Resnicks und Erv Polster) verbunden. Sie bleibt als eine Hauptorientierung, eine Haupt-Quelle. Hypnotherapie, Körpertherapie. In den letzten Jahren habe ich das Privileg gehabt, eng mit Bert Hellinger zusammen zu arbeiten. Sie werden merken, daß seine Art zu denken einen sehr starken Einfluß auf meine Arbeit gehabt hat. Und in den letzten Jahren bin ich wieder auf die Psychoanalyse (Melanie Klein, Mardi Horowitz, Otto Kernberg, Heinz Kohut und Donald Winnicott) gestoßen, hauptsächlich die Objektbeziehungstheorie, die Entwicklungstheorie Margret Mahlers und Daniel Stern und neulich ein neuer Autor, der Allan Schore, der eine hervorragende Arbeit gemacht hat. Allan Schore: Affect Regulation and the Origin of the Self: The Neurobiology of Emotional Development, 8. Auflage Was ich anbiete, ist weniger ein intellektueller Diskurs, sondern ich möchte eine Art geleitete Meditation mit Euch machen. Ich möchte Euch dadurch einladen, Euch auf die Mutter - Deine Mutter zu besinnen - was gut ist und war - was problematisch war und vielleicht noch ist.Vieles was wir, als ich die Psychotherapie gelernt habe, erzählt bekamen bezüglich der Mutter und der Beziehung zu der Mutter, hat sich in der Praxis nicht bestätigt. Als ich lernte, war viel Betonung darauf, man müsse sich von der Mutter trennen und die Frage war natürlich, wie soll das dann gehen ?Wir haben heroische Arbeiten unternommen, und die Kissen-Hersteller waren damals über unsere Leistungen sehr begeistert, weil wir etliche Kissen kaputt gemacht haben. Vielleicht erinnern sich die von Euch, die länger in der Therapie tätig sind, an diese "guten alten Zeiten". Aber diese Arbeit, obwohl sie Entladung gebracht hat, hat in der Regel keinen Frieden gebracht. Und so - was ich erzählen möchte heute abend ist über eine Arbeit, die sich entwickelt hat über Jahre und die auf Frieden zielt und auf Liebe.Und wir fangen mit der Gebärmutter an. Wir fangen dort an, weil wir alle dort angefangen haben. Es ist ein Hohlraum, sie ist leer. Und aus dieser Leere heraus oder in diese Leere hinein geht alles menschliche Leben. Die Gebärmutter, der Geburtskanal, Deine Mutter ist das Tor (zu) der Welt. Und durch das Tor sind wir alle gekommen. Wir fangen mit dem Fötus an. Die neuere Forschung zeigt schon, daß ein Fötus lernfähig ist schon vor der Entbindung. Ein Fötus reagiert auf Reize im Umfeld.Und ich lade Euch ein, Euch nochmal die Sache aus der Perspektive des Fötus anzuschauen. Für einen Fötus - überall, wo er hinschaut, in jede Richtung - ist nur die Mutter. Sie ist sozusagen allgegenwärtig, sie ist die Welt. Und ich nehme an, daß es für einen Fötus kaum möglich ist, über die Mutter hinaus zu unterscheiden zwischen Mutter und dem Umfeld jenseits von ihr. Alles, was auf den Fötus wirkt, wirkt durch die Mutter. Und was ist da - in der Mutter ? Die Reize von der Straße unten - sind da, ihre Erschöpfung ist da, ihre Angst, ihre Hoffnung, ihre Freude, ihre Liebe, auch die Narben, die sie von ihrer Beziehung mit ihrer Mutter oder ihrem Vater (in sich) trägt, sind da. Wie sie sich auf die Schwangerschaft einstellt, ob sie sich freut, ob sie Angst hat, ob sie sich belastet fühlt - das ist da.Es wird behauptet, daß es für einen Fötus extrem schwierig ist zu unterscheiden zwischen Selbst und Mutter wie auch zwischen Mutter und ihrem weiteren Umfeld. Wer die Familienaufstellungsarbeit von Bert Hellinger kennt, besonders als Stellvertreter, weiß (aus der Erfahrung) am eigenen Leib, wie das sein kann in einer Familienaufstellung eines fremden Menschen zu stehen und plötzlich auf den eigenen Körper Wirkungen zu spüren, manchmal starke Wirkungen, bis zu Übelkeit oder Bewußtlosigkeit, die eindeutig nicht aus internen Quellen entstehen. Und wenn es so ist, daß ein Stellvertreter nur dadurch, daß er in einer Aufstellung eines fremden Menschen aufgestellt wird, plötzlich bewußtlos wird und umkippt auf den Boden, wie ich zweimal erlebt habe, durch die Wirkung des Familienfeldes, dann (stellt sich die Frage) - wie muß das für einen Fötus sein, auch solchen Kräften, solchen Wirkungen ausgesetzt zu werden ?
Es passiert irgendwas in dieser Urposition des Fötus - vielleicht eine Sehnsucht oder ein Trieb oder die Wirkung einer biologischen Kraft - aber der Fötus sendet irgendwann ein Hormon aus, das dann die Entbindungswehen bei der Mutter einleitet. Wenn wir das in der Seele anschauen, nicht so von außen wie ein Arzt oder ein Wissenschaftler, sondern von innen, es ist als ob die Entbindung, diese biologische oder physiologische Entbindung des Kindes (Ausdruck) ein(es) Wunsches ist, das Wort "Du" zu sprechen. Die Entbindung scheint wie eine Hinbewegung zu der Mutter. Weil: nur durch die Trennung ist die Berührung möglich. Die Berührung - auch von zwei Händen - braucht eine Fläche. Und obwohl die Haut nur eine Fläche bildet, ist sie gefaltet an sich und dadurch kann ich mich berühren. Und so - durch die Trennung der Entbindung können Mutter und Kind einander anschauen, mit der Haut berühren und das Wort "Du" zueinander sprechen.
In einer Gruppe neulich erzählte ein Teilnehmer, daß zwei Tage vor seiner Geburt seine Mutter einen sehr schlimmen Autounfall hatte, ein Auto ist von hinten auf sie drauf gerollt und sie ist auf den Stoßdämpfer (das Lenkrad) gefallen und eine Stange da ist in sie eingedrungen. Und es war dann ein Not-Kaiserschnitt. Und als sie wieder zu sich kam, war ihr erster Satz: "Und das Baby, was ist mit dem Kind ?"
Ein Baby liegt im Bett, kotzt sich an, verschmutzt sich vielleicht und brüllt. Die Mutter hört, geht hin, nimmt das Kind in den Arm mit Liebe und kümmert sich. Sie benutzt ihre ganze Intuition, um herauszufinden, was los ist und sie tut das, ohne zu bedenken. Sie tut das, weil das Kind sowas Kostbares hat, eine unverstellte Liebe, eine natürliche wesentliche Kostbarkeit, "preciousness" sagen wir auf Englisch. Wenn das Kind weint in seiner Not, sei es Hunger oder weil es naß ist oder weil es kalt ist oder weil es schmutig ist - kann man das so anschauen, als ob das Baby abhängig ist von der Mutter, die Mutter braucht, das ist nicht falsch. Nur wenn man das mit der Subtilität der Wahrnehmung der Seele anschaut, man sieht auch: das Baby gibt seine Kostbarkeit ihr in die Hände, das Baby gibt sich der Mutter - ganz. Und wenn es gut läuft: sie nimmt es - ganz. Und das Baby - wenn es gut läuft - macht die Erfahrung: "Ich bin - ohne daß ich was leiste - liebenswürdig, wichtig, gewollt." Das, was ich bin - ist dann gut.
Wir wissen alle, daß es nicht immer so gut läuft. Wir wissen, z.B. die Forschung von Allan Schore, die ich am Anfang des Vortrags erwähnt habe, faßt sehr viel unterschiedliche Forschung zusammen und arbeitet mit einer Theorie, die heißt "Affektregulation". Ich fasse das für Euch kurz zusammen: Die Idee ist, daß ein neugeborenes Baby nicht in der Lage ist, sich neurophysiologisch zu beruhigen. Wenn´s naß ist, braucht es jemand, der kommt. Wenn´s aufgeregt ist, braucht es jemand, der es in den Arm nimmt, schaukelt, vorsingt, strahlt mit einer Präsenz und einer Wärme. Die "harten" physiologischen Naturwissenschaftler sprechen sogar (davon), daß das Gehirn der Mutter wie ein Zweitgehirn des Babys funktioniert. Und so - wenn ein Baby die Erfahrung machen darf: "diese Regulation kommt zuverlässig, wenn ich´s brauche, ich kriege das, was ich brauche, um mich zu beruhigen", findet dann die Entwicklung des Kindes auf einer normalen Spur statt. Wenn aber das Baby zu oft die Erfahrung macht: "ich komme in eine Aufregung, das, was ich bräuchte, kommt nicht", dann bleibt das Baby in einem aufgeregten Zustand bis die Erschöpfung sich einstellt. Und die Entwicklung eines solchen Kindes ist neurophysiologisch nachweisbar anders als die des Kindes, das eine eher optimale Regulation bekommt. Es findet aber auch statt, daß die Mutter das Kind beruhigt, um sich selbst zu beruhigen. Und so ist das Kind dann von Anfang an im Dienst der Affektregulation der Mutter. Und auch das hat Wirkung auf die Entwicklung.
Aber wie die Arbeit von Bert Hellinger zeigt, die Mutter ist nicht nur diese einzelne Person, sondern die Mutter ist eine ganze Sippe. Wenn eine Mutter das Kind in den Arm nimmt, ist ihre Mutter auch dabei. In der Berührung und in der Bewegung erinnert sich sozusagen ihr Körper daran, wie er in den Arm genommen wurde, wie er beruhigt wurde. Der Körper der Mutter erinnert sich sozusagen daran, ob er die Erfahrung gemacht hat: "ich bin was wert, ich bin gewollt, ich bin kostbar." Oder: ob er, der Körper der Mutter, Hemmungen hat in der spontanen Hinbewegung, ob Erinnerungen da sind und mitwirken von Ablehnung oder Schmerz oder Trauma.
Das Kind wächst. Vor kurzem in einer Gruppe fing ein Mann an zu erzählen, er habe wirklich eine extrem schwierige Beziehung mit seiner Mutter - Mitte 50 ist er, sie ist schon 80 - und wir redeten darüber, wann das angefangen hat. Und wie (es) oft der Fall ist, es fing an so (am) Anfang der Pubertät. Und dann langsam erinnert er sich daran, wie heiß er als Kind die Mutter geliebt hat, wie schön sie auf ihn wirkt, wie gerne er mit ihr war. Der Vater starb, als er sieben war, (danach) hat er ein sehr inniges Verhältnis zu seiner Mutter einige Jahre lang gehabt. Wir haben uns dann gefragt: "Und was ist passiert, damit diese Erinnerungen eher in den Hintergrund gerückt sind und die Erinnerung geblieben ist: ‚Ich hab ein schwieriges Verhältnis mit meiner Mutter, ich hab wirklich viel Krach mit ihr gehabt, ich hab viel mit ihr gestritten, sie hat mich nicht verstanden.' ?" Und so das ist auch eine Frage, die wir uns heute stellen wollen. Was ist passiert ? Wie ist es dazu gekommen, daß viele von uns Phasen gehabt haben - vielleicht stecken manche von uns immer noch in dieser Phase - wo es mit der Mutter extrem kompliziert geht ? Der Begriff von Bert Hellinger ist hier eine große Hilfe - finde ich - das ist der Begriff "die Verstrickung". Die Verstrickung deckt das mit (ab), was die Analytiker als Charakter oder als Persönlichkeit oder Persönlichkeitsstörung (bezeichnen) - das ist drin in dem Begriff, aber der Begriff ist noch breiter. Der Begriff beinhaltet oder deutet auf Wirkungen, die in der Familie oder in der Sippe der Eltern auch mitwirken, die Toten, die da sind, die Vergessenen. Das ist wichtig, weil wenn - ich sag mal - eine Familie eine Schuld hat, die verleugnet ist, dann ist es notwendig, daß alle Mitglieder der Familie auch diese Schuld nicht wahrnehmen. Wer die Schuld wahrnimmt, fliegt raus. Das haben die 68er manchmal am eigenen Leib spüren müssen. Die haben angefangen, sich für bestimmte Schuld zu interessieren und kamen mit dem Familiengewissen in Konflikt. Nur - viele von uns, die aus dieser 68er Generation kommen, haben übersehen, wie gut wir die Verleugnung der eigenen Schuld gelernt haben. Das ist ein Nebenpunkt, aber ich erwähne das jetzt, weil ich dabei gelandet bin: Sehr viel menschliches Leid in unseren Gruppen ist darauf zurückzuführen, daß wir die eigene Mitschuld so schlecht wahrnehmen. Wenn man die eigene Mittäterschaft nicht wahrnimmt, dann ist das Gefühl von Unschuld sehr leicht, weil man nicht merkt, was man mitverursacht hat, man kann sich empören über die Vorwürfe der anderen, fühlt sich sozusagen in seiner Gerechtigkeit verletzt. Aber diese Betrachtung reicht zu einer Lösung nicht aus.
Das Kind wird durch die Zugehörigkeit zu der Familie auch verstrickt. Eltern geben an ihre Kinder das Leben, die Liebe und auch die Verstrickung (weiter). Und als Vater kann ich sagen, was viele von Euch auch wissen, daß - wenn man die eigenen Kinder anschaut und sieht mit der Liebe und mit (dem) meinem Stolz auf die (eigenen) Kinder, (daß) ich eine Verstrickung oder eine Belastung für die Kinder weitergegeben habe - (dann) tut´s weh.
So betrachtet, sieht man, daß das, was ich als Vater bin und getan habe - oder vom Inhalt unseres Vortrages heute abend - was ich als Mutter getan habe oder wo ich versagt habe, das alles bestimmt das Kind. Und ob ich (eine) gute Mutter bin, das liegt in den Händen des Kindes. Das heißt, wenn meine Kinder das, was ich gebe - auch die Verstrickung - nehmen und das beste draus machen, auch die Verstrickung überwinden und trotzdem zu einem guten Leben kommen, dann bin ich ein Eltern(teil), der die Kinder belastet hat, aber nicht beschädigt. Wenn aber es denen nicht gelingt oder wenn sie sich verweigern, (sich weigern) das Gute, was ich gegeben habe, zu nehmen, sich verweigern (und sich weigern), etwas Gutes daraus zu machen und sich durch meine (weiter)gegebene Verstrickung kaputt machen lassen, dann bin ich ein Eltern(teil), der durch seine (Weiter)Gabe (der Verstrickung) die Kinder kaputt gemacht hat.
Dieser Aspekt wird häufig übersehen.
Die Macht, die die Kinder gegenüber den Eltern haben. Einfach ist das - die Macht, die die Kinder gegenüber den Eltern haben - bei den Babys zu sehen. Weil: wenn irgend jemand - außer einem Baby - Dir sagt: "für ein Jahr höchstens vier Stunden Schlaf, Du stehst 24 Stunden im Dienst, Du hast alles zu machen, was ich von Dir verlange, Ich nehme auf Deine Wünsche, Zeitrhythmen, Bedürfnisse keine Rücksicht und Du wirst das toll finden", dann wirst Du denken: "Derjenige spinnt."
Aber diese Qualität von "preciousness", von Kostbarkeit, von wesentlichem Wert, die das Baby hat, ruft diese Reaktion in der Mutter, auch im Vater hervor und rechtfertigt die Reaktion.
Durch die Verstrickung aber wird im Lauf der Jahre oft der Zugang zu diesen wesentlichen Qualitäten verloren. Und wir kriegen Zweifel, wer wir sind, ob wir gut sind. Wir kriegen Angst, wir kriegen Beziehungsproblematik, Schwierigkeiten mit der Intimität. Die Hormone fangen an mitzumischen. Das erleichtert das andere gar nicht. Der ein oder andere von uns wird gemerkt haben, daß - wenn wir dann auf Partnersuche gehen, suchen wir oder versuchen wir, die Mutter zu vermeiden. Nur die Mutter läßt sich nicht vermeiden. Man wählt typischerweise den Menschen zum Partner aus, der am wenigsten ähnlich wie die Mutter aussieht und dann stellst Du nach einigen Jahren fest: "Es war doch sie."
Auch in der Sexualität. Viele Leute in meinen Gruppen werden jetzt etwas älter. Und wenn wir über die Sexualität jetzt in den Gruppen sprechen, das Gespräch wirkt anders. Langsam ist der Orgasmus nicht Endpunkt der Sexualität. Ich weiß es nicht, ob die Kultur allgemein sich ändert, oder ob nur die Menschen, mit denen ich arbeite, etwas reifen. Aber Menschen berichten, was die Intimität so schön macht, ist die Erfahrung, sie machen eine Hinbewegung zum Partner und sie spüren, meine Berührung öffnet den Partner, meine Berührung ist willkommen, meine Berührung hat Wirkung. Und diese Erfahrung ist wie eine Erinnerung an die wesentliche Kostbarkeit des Babys. Es ist eine Erinnerung an die - die Begriffe sind unterschiedlich - Menschenwürde oder das Göttliche im Menschen oder das Wesentliche oder das Schöne. Und manchmal, wenn wir lange Jahre in der Verstrickung gelebt haben, sind wir schon darauf angewiesen, daß es einen Menschen gibt, der mit einem Blick oder mit einem Ton oder mit einer Geste oder mit einer Berührung uns daran erinnern kann: "diese Qualität ist nicht verschwunden, sie ist nicht weg, nur in Vergessenheit geraten."
So - wer dann eine Therapie macht und lernt, auf die Mutter zu schimpfen - nur (zu schimpfen) - und wer die Mutter haßt und mit diesem Haß sich zufrieden gibt und nicht weiter schaut, der setzt dann die Auswirkung der Verstrickung fort. Und macht auch dadurch sich zu einem verstrickten Menschen genau(so) wie seine Eltern waren. In dem Sinn ist er loyal, aber er verleugnet das Wesentliche oder die Essenz oder die persönliche Präsenz in sich, in der Mutter, in der Familie. Wer auf die Mutter wütend ist, will was von ihr, will verstanden werden vielleicht oder will gesehen werden. Ich will, daß sie mich so anschaut, daß es bei mir wieder aufgeht, daß ich spüren kann: "ich bin doch was wert."
Wer aber die Entdeckung der Wut nicht dafür einsetzt, wieder in Bewegung zu kommen, so daß man dann den unerfüllten Wunsch hinter der Wut entdecken kann, wer nur bei der Wut bleibt, der bleibt verstrickt, und so macht er seine Mutter zum Täter und sich zum Opfer.
Nun - in der Psychotherapie hat es sich herausgestellt, daß man mit Opfern schlecht arbeiten kann, weil Opfer per Definition nicht in der Lage sind zu handeln. Täter können handeln. So -Deine Prognose ist sofort besser, wenn wir herausfinden, daß Du bei der Sache Mittäter bist, dann hast Du viel bessere Chancen, Dich zu ändern. Und das Glück ist bei vielen Problemen mit der Mutter: Wir sind Mittäter. Nur - wir haben die Wahrnehmung für das, was wir der armen Mutter angetan haben, ausgeblendet.
Damit wir das wiederfinden in uns, was das Leben so schön und wertvoll macht, das ist diese wesentliche Qualität, diese Kostbarkeit, (dazu) müssen wir dann eigentlich die Kostbarkeit unserer leiblichen Mutter, auch wenn durch Verstrickung zugeschüttet und schwer wahrnehmbar, erkennen. Die Liebe, die dieses in der Mutter erkennt, ist dieselbe Liebe, die mich befreit. Und an dieser Stelle zu lieben und geliebt zu werden, haben dieselbe Wirkung. Für viele Menschen ist das schwer, weil es Abschied vom Opfersein bedeutet. Opfersein ist für viele eine sehr gängige, sehr lang geübte Identifikation. Es ist erstaunlich, wie oft Klienten kommen und versuchen, uns zu überzeugen, daß sie Opfer sind. Man kann das schon anschauen und sehen: sie sind Opfer, ja das stimmt. Nur das Opfersein ist glücklicherweise nur selten die vollständige Geschichte. Glücklicherweise - wenn die bereit sind zu schauen, finden wir sehr oft Stellen, wo sie Mittäter sind. Und wie ich schon erwähnt habe, dann ist die Prognose besser. So - wenn man eine ver-strickte Mutter anschaut und zu seiner Öffnung kommen möchte, wie kann man sie entbinden ?
Die Aufstellungsarbeit ist eine Hilfsmethode, die für viele die Wahrnehmung der Mutter umstellt, weil man sie auf einmal in ihrer Welt sieht. Man sieht durch die Vertreter Menschen, die ihr wichtig waren im Guten oder im Schlechten. Man sieht oft die Wucht, das Gewicht des Schicksals. Man sieht Wirkungen, die man als Säugling oder als Baby nicht verstehen konnte. Man sieht auf einmal, warum sie nicht immer da war, warum sie grantig war, warum sie geschlagen hat. Aber man sieht noch mehr. Man sieht: In einem gewissen Sinne gibt es nur eine Mutter, die Große Mutter. Und alle Mütter, die ihren Körper Dir zur Verfügung gestellt haben, damit Du leben konntest, sind mit der Großen Mutter verbunden, sie sind ihre Priesterinnen sozusagen, ihre Diener(innen). Da ist auch Kraft da und Weisheit. Diese Mutter, die manchmal sichtbar wird, wenn wir so schauen, ist mit der Erde eng verbunden. Wenn man fragt, ja, warum kommen Frauen überhaupt auf die Idee, Kinder zu kriegen, man rätselt, man kann die Frauen, die sich dagegen entschieden haben, sehr gut verstehen, und doch - es gibt Frauen, die Kinder sehr gerne gehabt hätten und nicht konnten, und die erleben das als einen großen Verlust. Warum ? Warum tut das so weh ? Warum ist das so schwer zu verarbeiten ?
An dieser Stelle - meine ich - Frauen spüren ihre Verwandtschaft mit ´was Größerem. Es ist nicht rational, es ist nicht gedacht. Es ist sozusagen in der Leibseele. Es ist irgendwas da, das wirkt. Man kann sagen, meine ich, Frauen, die Mutter werden, unterwerfen sich dem Größeren, es ist eine Art Gehorsam. Und jede Mutter - egal wie verstrickt, egal wie verrückt, egal wie gehässig - hat´s gemacht. Unsere Freiheit besteht darin, nicht welche Mutter wir hatten oder was für eine - sondern wie wir heute als Erwachsene sie anschauen. Mit dem Blick des Opfers - oder mit dem Blick eines Menschen, der eine große Sehnsucht hat, sich zu öffnen für das, was größer ist, wesentlich, jenseits der Verstrickung. Wenn ich diese Qualitäten dann in einem schönen Moment spüre, zum Beispiel an einem wunderschönen Herbsttag, wie wir letzte Woche hier hatten, auf einer Wiese mit einem Blick auf die Berge, das Licht strahlt gelb und gold in Herbstfarben, die Luft ist klar, das Leben wirkt in diesem Augenblick wunderschön und in dem Moment nehme ich dann das Wort "Mutter" in den Mund, dann bleibt die Frau, auf die ich schaue, meine leibliche Mutter, auch ihre Verstrickung, mit dem größeren Ganzen verbunden - ohne Bruch - und in dem Moment, in dem ich sie so anschaue, bin ich mit dem größeren Ganzen auch verbunden ohne Bruch, ohne Trennung.
So - die Entbindung der Mutter in diesem zweiten Sinne wird dadurch vollzogen, daß man der unausweichlichen Bindung und Einbindung zu ihr und in ihr zustimmt. Das, was man hassen darf, ist die Verstrickung. Das, was man bekämpfen darf, ist die Verstrickung, die Verstrickung der Mutter. Nur - wie wir alle wissen, wenn wir die Verstrickung bekämpfen, müssen wir sehr aufpassen, daß wir sie nicht unbeabsichtigt fortsetzen. Die Entbindung der Mutter in diesem Sinne ist das Nehmen der Mutter - in Liebe.
Das war´s.
Antworten auf Fragen zum Vortrag
In einer Gruppe letzte Woche erzählte ein Mann, daß er in der Pubertät mehr oder weniger bewußt alle Bemühungen seiner Mutter abgelehnt (habe), Kontakt mit ihm (auf)zunehmen, und er habe sie dadurch gequält. Und (umso) mehr gequält sie war, desto übergriffiger ihre Bemühungen. Und was er gesehen hatte, ist, daß in seiner Seele, wenn er ehrlich war, er ihren Schmerz hat spüren können. Man kann schon verstehen, daß es ein Teufelskreis war und daß das das beste war, das er als Kind machen konnte, um sich zu trennen. Trotzdem hat er gespürt, wirklich gesehen, was er ihr angetan hat. Und wenn er dann nach Hause zu Besuch ging - es ist eine alte Frau - hat er gesagt: "Es tut mir leid, ich hab´ gewußt." Die alte Frau war natürlich sehr berührt.
Die Arbeit mit der Mutter ist in der Schwingung eine andere als mit dem Vater. Manchmal ist der Mann in diesem Sinn die Mutter. Wenn ich von der Mutter spreche, meine ich natürlich in erster Linie die leibliche Mutter, (aber) auch im übertragenen Sinne die (be)mutternde Person.
So - ich hab´ das damals so formuliert: Die Erlösung der Väter. Und jetzt die Entbindung der Mütter, Entbindung ist in der Leibseele. Ich weiß es nicht genau, wie das für Frauen ist. Es scheint, nicht so häufig zu sein. Aber viele Männer berichten, wenn sie fein zu spüren lernten, daß der Uterus der Mutter ausdehnbar ist und daß er (der Uterus) sich in die Welt hinein (aus)dehnt, wo immer der Sohn sich bewegt auf der ganzen Welt. Und es gibt Söhne, die (das) beschreiben können mit 50, sie sind immer noch in diesem ausdehnbaren Uterus der Mutter drin. Für eine Frau, haben wir festgestellt, den Sohn aus diesem Eingenommensein zu erlösen, ist unerträglich schmerzhaft. Und das schafft sie in der Regel nur, wenn sie einen Partner hat, der sie halten kann - mit Liebe. Manchmal schützt der Vater mit seiner Leidenschaft und seinem Verlangen und (seinem) Begehren der Mutter dann Mutter und Kind vor diesem (Eingenommensein). Aber es ist eine viel subtilere Arbeit, sich aus sowas zu lösen, sich zu entbinden, und es tut oft weh auf einer viel tieferen Ebene. Es schneidet (ein) für (das) Kind und auch für die Mutter bis zum Kern. Und die Arbeit mit dem Vater ist eher - in unserer Erfahrung nicht so - es ist nicht leichter - aber es hat eine andere Schwingung, eine andere Qualität.
Die Mutter entbindet das Kind das erste Mal, das zweite Mal dann entbindet das Kind die Mutter.
Was wir gesehen haben, ist, daß die Beziehung, die Innigkeit der Primärbeziehung zwischen den Partnern das ist, was es den Kindern am einfachsten macht. Und so - die Mutter kann das tun, was machbar ist, um die Beziehung in der Tiefe in Ordnung zu bringen. Und das ist natürlich nicht immer möglich. Aber das wäre eines, das die Mutter machen könnte. Es ist auch etwas unterschiedlich, ob das Kind ein Junge (ein Sohn) ist oder eine Tochter.
Ich würde der Mutter von Jungs sagen: " Es ist hoffnungslos, nein - ich hab´einen neuen Begriff gefunden - nicht hoffnungslos, aber hoffnungsfrei." Das Problem für die Mutter von Söhnen ist das: umso mehr du tust, desto mehr haben sie das Gefühl, sie schaffen es nicht alleine. Es ist ein Teufelskreis. Ab einem bestimmten Punkt in der Entwicklung ist das anders: umso mehr du tust, (umso mehr) schwächst du die Söhne. Das ist die Gefahr mindestens.
So - im übertragenen Sinn - was eine Mutter von Söhnen manchmal tun kann, ist, in der Leibseele, in der Bereitschaft des Körpers, den Schmerz der Entbindung anzunehmen. Das ist eine ganz tiefe Bewegung der Mutter, ist ganz tief. Die zweite Entbindung tut auch oft weh. Manchmal, weil es länger dauert als die erste und subtiler ist, schlimmer ist. Aber in dem Schmerz ist auch Weisheit. Und natürlich hilft es, wenn die Söhne auch eine gute Beziehung zum Vater haben und in ihm ein gutes Vorbild. Aber auch das ist nicht immer möglich. Ich glaub´, es gibt hier keinen von uns, der wirklich eine ideale Kindheit hatte. Die Seele ist ungeheuer flexibel und kreativ, und es ist nicht möglich und auch nicht notwendig, daß wir das perfekt machen. Man kann sich wirklich entlassen aus diesen Perfektionsansprüchen, denn die machen´s noch schlimmer. Letztendlich wird die Mutter das machen, was sie macht. Und wenn die Söhne sie wirklich in der Tiefe lieben, dann sorgen die Söhne dafür,daß sie das Gute und auch das Schlimme nehmen und ´was Schönes daraus machen. Und dann entbinden die Dich und Du bist sozusagen wie alle anderen Mütter in ihren (der Söhne) Händen - ausgeliefert. Das ist übrigens ein Grund, warum es eine gute Idee ist, ganz nett mit den eigenen Eltern umzugehen als Vorbild.
Es wird sehr kompliziert - und die Gefahr ist natürlich in einem solchen Vortrag, (daß) man generalisiert und dann paßte die Generalisation nicht zu den einzelnen Fällen. Das ist immer eine Gefahr.
So wie ein Mann manchmal "die Mutter" sein kann, kann es sein, daß eine Mutter manchmal "der Vater" ist. Und wenn die Mutter "der Vater" der Tochter ist und auch die leibliche Mutter, kann´s (ein) bißchen kompliziert werden. Die Tochter muß dann die ganz tiefe Verbundenheit mit der leiblichen Mutter, mit der großen Mutter, mit diesen wesentlichen Qualitäten bestätigen in ihrem Frausein und gleichzeitig sich von der leiblichen Mutter, die auch als "Vater" wirkt, distanzieren. Und in bestimmten Familien ist das eine etwas komplizierte Aufgabe für ein Kind.
Mütter fragen oft, wie kann ich´s richtig machen. Die wollen natürlich, daß es den Kindern gut geht. Und ich denk´, dieser Begriff von Hoffnungsfreiheit ist schön. Es ist hoffnungsfrei, keine Chance. Das heißt, jede Mutter macht, was sie macht, so gut, wie sie kann. Und die Versuche, das noch besser zu machen, erwecken manchmal die Illusion oder halten die Illusion aufrecht, daß wir Kontrolle haben, daß wir nicht in den Händen der Kinder sind. Und manchmal habe ich den Eindruck, daß Eltern (es) sich und auch den Kindern sehr schwer machen, wenn sie versuchen, es "richtig" zu machen. Viel leichter für die Seele wäre zu sagen: "Ich hab´s verschlampt oder ich kann (es) nicht, jetzt bist Du dran und laß mich in Ruh´."
Ich kann generell auf so eine Frage nicht antworten, manchmal ist es so, und manchmal ist es so. Meine Empfehlung wäre, wenn Du von Deiner Familie sprichst und von Deiner Tochter, daß Du in aller Ruhe versuchst, Schau zu halten auf Deine Tochter - in Deiner Seele - und dann im Lauf der Zeit zu spüren - ohne Eile - was für Deine Tochter stimmig ist, nicht was für Dich stimmig ist. Das wäre der beste Rat, den ich bei sowas geben könnte. Nochmal, diese ganz konkreten Fragen sind eigentlich gefährlich zu beantworten, so bleibe ich generell.
Bei Adoptivkindern ist es oft so, nicht immer so, aber oft, daß sie eine ganz tiefe, ganz unbewußte Sehnsucht nach der leiblichen Mutter haben. Als ob diese (Zeit von) 9 Monate(n) in der Schwangerschaft - zwei Seelen waren in einem Körper - eine gewisse Prägung macht, so daß keine andere Berührung so schön und so stimmig ist wie die Berührung in der Schwingung und in dem Geruch der leiblichen Mutter, auch wenn sie nach der Entbindung wenig Kontakt oder keinen Kontakt hatten. Für eine Adoptivmutter ist es nicht einfach zu spüren, daß die Seele des Kindes sich nach der Berührung von der leiblichen Mutter noch sehnt. Das tut weh oder kann weh tun. Wenn das der Fall wäre, könnte dann zum Beispiel helfen, wenn die Adoptivmutter in ihrer Seele eine Achtung für diese Urbindung zwischen Kind und Mutter einräumt und in dieser Einheit aller Frauen, aller Mütter Kontakt innerlich, in der Seele mit der leiblichen Mutter aufnimmt. Ich kann mir vorstellen, daß das dem Adoptivsohn es etwas leichter machen könnte.
Alles, was ich sagen könnte, wäre gewagt und nicht sehr vernünftig. Die Beobachtungen, die wir gemacht haben im interkulturellen Bereich, (stehen) erst (am) Anfang. Die Frage ist so wichtig, daß ich lieber auf eine voreilige, schnelle Antwort verzichte. Wir haben einen internationalen Workshop im Sommer - findet jedes Jahr statt - letztes Jahr haben wir Leute aus 20 verschiedenen Ländern gehabt, China und Afrika usw. und wir haben aufgestellt, und es war total interessant. Es ist wirklich eine große Frage, ob die Chinesen zum Beispiel Liebe überhaupt spüren so wie wir das kennen. Weil die politischen Gegebenheiten sind so seit Jahrtausenden, daß sie das nicht mehr leisten konnten irgendwie. Die Beobachtungen sind noch nicht reif. Nur die Fragen sind da.
Ich denk´, die politische Situation der Welt nach dem 11. September macht deutlich, daß ein einfaches Opfer-Täter-Denken, das die eigene Mittäterschaft übersieht, vielleicht nicht mehr zeitgemäß ist. Und ein systemisches Denken und Betrachten, das die Ganzheit sieht in ihrer Vielfalt ist vielleicht eine Denkweise, die eine gewisse kleine Hoffnung aufrechterhält. Nur das bedeutet für uns in unserer wohlhabenden westlichen Gesellschaft, daß wir auch unsere Mittäterschaft ernst nehmen. Und das ist nicht das Einfachste, was es gibt.
Wenn ein Säugling - sag mal 2 Wochen alt - naß wird, kommt er in eine Aufregung. Diese Aufregung ist für ihn nicht kontrollierbar. Es (er)scheint wie eine Überschwemmung von Reiz(en) für ihn - auch aus physiologischen Gründen, weil die Nerven keine vollausgebildeten Hüllen haben. Die Idee ist, daß diese Aufregung eine Art Urwut ist. Ein solches Kind muß lernen, diese Urwut - wenn die Mutter nicht häufig genug und nicht richtig genug kommt - überzumodulieren. Es gibt Hinweise darauf, daß das dann zu späterer depressiver Struktur führen kann. Wenn ein Kind zu früh lernen muß, seine Aufregung ´runter zu drücken durch Erschöpfung usw. Es kann dann hilfreich sein in einer Therapie, wenn diese ursprüngliche Aufregung noch erlaubt wird, so daß man lernen kann mit den Fähigkeiten, die man als Erwachsener noch zur Verfügung hat, anders (damit) umzugehen als man in der frühen Kindheit hatte lernen müssen. Aber es geht nicht um Ausdruck als kathartisches Loslassen, sondern es geht um die Umorganisation, die Hinbewegung letztendlich zu dem, was wir lieben.
Ausdruck von Wut ist an sich nicht therapeutisch, es kann aber hilfreich sein, um die Hinbewegung zu dem, was wir lieben, besser zu organisieren. Man macht es am Anfang etwas ungeschickt wie in der Pubertät. So - wir haben hübschen Mädchen immer gesagt, wie häßlich sie waren. Das war ein Annäherungsversuch.
Vielen Dank !
© Hunter Beaumont. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Diese Ruhe kommt wie die Wahrnehmung aus der Zustimmung zur Welt, wie sie erscheint, also ohne die Absicht, sie zu verändern. Das ist im Grunde eine religiöse Haltung, weil sie sich einfügt in ein größeres Ganzes, ohne sich herauszunehmen, es besser zu wissen, oder einen besseren Ausgang erreichen zu können, als ihn die tiefen Kräfte von sich aus ansteuern. Deswegen ist für mich die Grundhaltung, daß ich allem zustimme, wie es ist. Wenn ich etwas Schönes sehe, dann ist es für mich Teil der Welt, der ich zustimme. Wenn ich etwas Schlimmes sehe, stimme ich auch zu. Sowohl als auch. Das ist es, was ich Demut nenne: die Zustimmung zur Welt, so wie sie erscheint. Erst diese Zustimmung, ermöglicht es mir, genau wahrzunehmen. Sonst werde ich durch meine Absichten oder meine Ideologien an der Wahrnehmung gehindert.
Noch etwas ist dabei zu beachten, nämlich daß die Ordnung sich nicht deutlich zeigt, sondern von Augenblick zu Augenblick anders erscheint. In ihr ist etwas Vielfältiges, eine Fülle. Sie kommt nur punktuell ans Licht. Deswegen ist die eine Familienaufstellung anders, als die andere, obwohl sie sich vielleicht von der Grundsituation her ähnlich sind. Was ich nun in diesem Augenblick wahrnehme, das sage ich auch. Manche meinen dann, das sei eine allgemeine Aussage oder eine allgemeine Wahrheit. Das ist es eben nicht. Es ist eine Wahrnehmung von etwas, das im Augenblick so ans Licht kommt. Sie gilt für diesen Augenblick und ist in diesem Augenblick auch völlig einsichtig. Wenn ich das jetzt loslöse von der augenblicklichen Wahrnehmung und daraus eine Lehre mache, dann erscheint es dogmatisch.
Erkenntnis als Lebensvorgang
Sobald man bei Erkenntnisvorgängen auf ein Absolutes zusteuert, liegt man schief. Erkenntnis ist ein Lebensvorgang und dient dem Leben. Erkenntnis entsteht aus einer Interaktion mit etwas, das ich aber nicht als solches zu erfassen brauche. Ich erfasse das Ergebnis der Interaktion. Wenn sich zwei Personen dem gleichen Phänomen aussetzen und mit Bezug auf dieses Phänomen etwas erreichen wollen, kann man sehen, daß der eine mehr erreicht als der andere. Wenn das Erkannte nur theoretisch oder wunschgemäß konstruiert wäre, könnte ich nicht unterscheiden, welches Ergebnis mehr ist oder weniger.
Ganzheitliche Wahrnehmung
Die Sinnesorgane müssen bei dieser Arbeit offen sein. Aber darüber hinaus gibt es so etwas wie eine ganzheitliche Wahrnehmung. Sie wird möglich, indem ich allem einen Platz gebe, also nichts ausklammere. In der Familienaufstellung gebe ich jedem einen Platz in meinem Herzen, auch denen, die als böse dastehen oder als der Täter, oder vor denen andere Angst haben oder Ekel. Ich gebe auch ihnen einen Platz. Dann bin ich mit einer Ganzheit in Verbindung, ich erlebe das als eine Ganzheit.
Auch sehe ich einen Menschen immer als Teil eines größeren Ganzen. Wenn ich mit ihm therapeutisch arbeite, rede ich eigentlich nicht zu ihm als Person oder zu seinem Ich, sondern ich rede zu seiner Seele, dort wo er mit etwas Größerem verbunden ist. Das bewirkt dann viel mehr, als wenn ich mich auf das Vordergründige begrenze.
Wahrnehmung und Intuition
Die phänomenologische Vorgehensweise kann man nicht mit dem Begriff der Intuition oder der Erfahrung einfangen. Er ist für mich sehr viel mehr. Die Intuition ist in blitzartiges Erfassen, ob und wo es weiter geht. Sie ist auf Zukunft gerichtet. Sie entsteht im Augenblick, ohne mein Zutun.
Den phänomenologischen Erkenntnisvorgang nenne ich Wahrnehmung. Das ist etwas völlig anderes. Wahrnehmung heißt, daß ich mich einem Zusammenhang aussetze, zum Beispiel schaue, was passiert, wenn Leute sich auf ihr Gewissen berufen oder sagen, daß sie gewissenhaft handeln. Das ist ein sehr vielschichtiges Phänomen, das ich lange nicht durchschaut habe. Daher habe ich das jahrelang einfach auf mich wirken lassen, mit gesammelter Aufmerksamkeit, bis ich plötzlich wahrgenommen habe, was Gewissen wesentlich heißt.
Das Gewissen ist ein systemisches Gleichgewichtsorgan, mit dessen Hilfe jeder sofort wahrnehmen kann, ob er sich im Einklang mit dem System befindet, oder nicht; ob er etwas tut, was ihm die Zugehörigkeit sichert, oder ob er etwas tut, was seine Zugehörigkeit gefährdet oder aufhebt. Es hat sich also herausgestellt, daß gutes Gewissen nichts anderes bedeutet, als: Ich darf noch dazu gehören, und daß schlechtes Gewissen heißt: Ich muß befürchten, daß ich nicht mehr dazugehören darf.
Es wurde also aus einer Fülle von Phänomenen plötzlich das Wesentliche erfaßt. Das nenne ich eine phänomenologische Vorgangsweise. Sie hat also nichts zu tun mit vorgefaßten Konzepten, auch nichts zu tun mit der Absicht etwas durchzusetzen, z. B. eine Idee oder Traditionen hochzuhalten. Es ist ein schlichter, gesammelter Vorgang, ohne Absicht und ohne Furcht.
Cry, baby, cry
Informationen zu Schreibabies
Manche Säuglinge schreien ausdauernd, Tag und Nacht, viele Stunden lang und oft bis zur völligen Erschöpfung. (Die Faustregel für Schreibabies ist: Mehr als drei Stunden an mehr als drei Tagen pro Woche.) Sie sind schwer oder gar nicht zu beruhigen, schlafen wenig, und nach dem Aufwachen beginnt das Schreien wieder. Die Suche der Mutter nach auslösenden Bedingungen (Hunger, Verletzungen, Wund-Sein, Fieber, etc.) verläuft ergebnislos. Auch der zu Rate gezogene Kinderarzt findet nichts Körperliches. "Dreimonatskoliken, das geht vorbei", meint er vielleicht und manchmal hat er Recht. In anderen Fällen aber dauert das Schreien an...
Wir wissen sehr oft nicht, woher dieses ausdauernde Schreien kommt. Wir wissen aber, dass es die Bindung zwischen dem Säugling und seiner Mutter auf eine kolossale Belastungsprobe stellt und sie in der Regel nachhaltig stört.
Deshalb betrachte ich Schreibabies als kinderpsychotherapeutische Notfälle und will an dieser Stelle versuchen, ein paar Informationen dazu zu geben, die im Wesentlichen auf Erfahrungswerten und der Arbeit in meiner Praxis beruhen. (Um es gleich vorweg zu sagen: Die Informationen ersetzen nicht die alsbaldige Vorstellung des Kindes und der Mutter in einer Schreibaby-Ambulanz oder bei einem Kinder-Psychotherapeuten oder Kinder-Psychiater.)
Was geschieht, wenn ein Baby so ausdauernd schreit?
Betrachten wir die Situation zuerst vom 'Standpunkt' des Babies aus. Den können wir natürlich nicht genau kennen, weil Babies keine Auskunft geben und sich als Erwachsene an diese Zeit ihres Lebens auch nicht erinnern können. Aber wir wissen, dass Babies darauf angewiesen sind, ihre Emotionen, von denen sie völlig überwältigt werden, der Mutter 'anzuvertrauen' und bei ihr 'abzuladen'. Die Mutter ist in der Lage, die Erregung des Kindes in sich aufzunehmen ohne selbst aus dem Gleichgewicht zu geraten und sie ihm sozusagen in vorverdauter Form wieder zurückzugeben. Man nennt das Containment. Das Kind bemerkt, dass die Mutter seine Bedürfnisse befriedigt und angesichts der kindlichen Emotionen 'groß' und fest bleibt. Das ist für das Baby ein fundamentaler Sicherheitsfaktor.
Wenn er fehlt, weil die Mutter durch das Schreien des Kindes nicht mehr fest bleiben kann, sondern außer sich gerät, hilflos und abwehrend reagiert, dann wird das Kind noch aufgeregter, denn die Sicherheit seiner Existenz bricht weg.
Für die Mutter ist das nicht enden wollende Schreien außerordentlich belastend. Sie versucht alles mögliche, wandert stundenlang mit dem Baby auf und ab und bemüht sich, es irgendwie zu beruhigen. Wenn das misslingt, wird sie schließlich erschöpft. Sie fühlt sich hilflos und beginnt, sich von dem Kind in der einen oder anderen Form zurückzuziehen, zunächst beispielsweise dadurch, dass sie den Blick von ihm abwendet, es ‘weglegt’ oder herumträgt wie einen Fremdkörper. Das geschieht in den meisten Fällen 'automatisch'; die Mutter kann es (zunächst) nur begrenzt steuern. Manchmal wird sie in der Hilflosigkeit auch beginnen, dem Kind eine Absicht zu unterstellen ('der will mich fertigmachen'), so dass sie wenigstens irgendeine Erklärung hat, auch wenn sie vielleicht selber weiß, dass ein so kleines Kind keine Absichten im eigentlichen Sinne haben kann, weil es nur über ein wenig entwickeltes Ich-Bewusstsein verfügt. Sehr oft bekommt die Mutter Schuldgefühle und zweifelt an ihrer Eignung zur Mutter oder beginnt darüber nachzugrübeln, dass andere Menschen vielleicht denken, sie könne nicht mit Kindern umgehen.
So entsteht ein Teufelskreis: das Kind spürt, dass die Mutter hilflos und 'klein' wird, gerät in weitere Erregung und schreit noch mehr. Die Mutter ihrerseits wird immer hilfloser und wendet sich innerlich oder äußerlich weiter ab.
'Schuld' ist hier in aller Regel niemand. Das Ganze entwickelt sich zunächst einmal mit einer gewissen Zwangsläufigkeit. Eine Hilfe können natürlich Väter, Omas und andere Familienangehörige oder Freunde sein, die der erschöpften Mutter unter die Arme greifen und ihr ab und zu ‘Pausen’ verschaffen, indem sie sich zeitweise um das Baby kümmern. Wenn das ausreicht, um die Mutter angesichts der kindlichen Emotionen ‘groß’ bleiben zu lassen, ist das Problem effektiv gelöst.
Falls die Hilflosigkeit aber immer wieder auftritt, so dass immer mehr solcher Pausen notwendig werden, sollte professionelle Hilfe von außen gesucht werden, um den Kreislauf zu unterbrechen (denn die primäre Bindung besteht zwischen dem Säugling und seiner Mutter). Der erste Gang sollte dabei immer zum Kinderarzt sein. Wenn er nichts Körperliches findet, empfiehlt es sich, eine Säuglings-Ambulanz oder einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten bzw. einen Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie aufzusuchen. Manchmal haben auch die örtlichen Kinderkliniken entsprechende Abteilungen oder Fachkräfte. Die Behandlung, die oft schon in wenigen Sitzungen zu einer Besserung führt, wird, wenn sie durch Psychotherapeuten oder Ärzte erfolgt, von der Krankenkasse bezahlt.
Ich danke dem Kollegen Dr.med. Dipl.Psych. Franz Wienand, FA Kinder- und Jugendpsychiatrie, Böblingen, für die Durchsicht und Diskussion des Manuskripts.
Der Artikel ist in leicht veränderter Form auch auf der Website der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg erschienen.
'Cry, baby, cry' ist der Titel eines Liedes der Beatles ('White Album').
Die Luft ein Archipel
von Duftinseln,
Schwaden von Lindenblüten
und sonnigem Heu,
süß vertraut,
stehen und warten auf mich
als umhüllten mich Tücher,
von lange her
aus sanftem Zuhaus
von der Mutter gewoben.
Ich bin wie im Traum
und kann den Windgeschenken
kaum glauben.
Wolken von Zärtlichkeit
fangen mich ein,
und das Glück beißt
seinen kleinen Zahn
in mein Herz.
Hilde Domin
(1909 – 2006)
Ich liebe Dich.
Ich liebe Dich, nicht nur dafür, was du bist.
Sondern dafür, was ich bin, wenn ich bei dir bin.
Ich liebe Dich, nicht nur dafür, was du aus dir gemacht hast,
sondern dafür, was du aus mir machst.
Ich liebe Dich für den Teil von mir, den du herauslockst.
Ich liebe Dich, weil du deine Hand in mein überlaufendes Herz legst
und über all die törichten Dinge streichst, die du dort im Trüben sehen mußt.
Und weil du hinaus ins Licht all jene wunderbare Habe bringst,
die niemand vorher hat je weit genug geschaut, um sie zu finden.
Ich liebe Dich, weil du mir hilfst zu bauen
aus dem Gerümpel meines Lebens nicht eine Schenke, sondern einen Tempel,
und aus den Wörtern meines Alltags
nicht eine Schande, sondern Poesie.
Ich liebe Dich, weil du mehr getan hast, als irgendein Glaube hätte tun können, um mich gut zu machen
Und mehr, als irgendein Schicksal hätte tun können, um mich glücklich zu machen.
Und du hast es getan
Ohne ein Wort
Ohne eine Berührung
Ohne ein Zeichen.
Du hast es getan, indem Du Du selbst warst.
Roy Croft ( aus "Men behind Boy`s Fiction"- W.O.Lofts London 1970)
Wenn die Saiten meines Lebens gestimmt sind,
wird bei jeder deiner Berührungen
die Musik der Liebe ertönen.
Martin Buber formuliert sinngemäß folgendermaßen in seinem "Ich-Du"-Buch:
Wenn ich dem Partner in seltenen, aber so ersehnten kostbaren Momenten in einer Weise begegne, daß ich ihn nicht benutze oder für etwas grad dringend brauche, um meine Bedürfnisse zu erfüllen, -
wenn ich statt dessen einfach an seinem SEIN teilhabe, -
wenn sich die Partner in ihrem Wesen begegnen, -
dann könnte man von einer "Ich-Du" -Begegnung sprechen.
Indem wir uns auf eine Beziehung zu einem "Du" einlassen, wird unser Ich vollständiger.
Buber sagt: "Der Mensch wird am DU zum ICH".
Phänomenologisch zu schauen heisst:
Hunter Beaumont hat mal gesagt:
Der Herzschlag dieser Arbeit ist es, Menschen unterscheiden zu lehren.
Zu unterscheiden, was die Seele braucht, von dem, was unsere sozialen Konditionierungen, religiösen Vorurteile und Ideologien von uns fordern.
Als Bayer möchte ich noch diese sprachlichen Feinheiten vorstellen
(bitte laut intonieren! dann erst die Übersetzung lesen):
do daad a da stinga (da täte er dir stinken, heisst: du würdest dich ärgern)
do daad da da Dadda do heiffa (da täte der Grossvater doch helfen)
mogarabiranodakare (mag der Karl noch ein Bier?)
Umerziehungsversuche:
Lehrer: "Was ist das für ein Tier?"
Schüler: "A Goaß."
Lehrer: "Es heißt nicht Goaß, es hoasst Geiß!"
Suchttherapeutische Aspekte:
Fremder (ev. auch Preiß): "Das Kind kann doch nicht den ganzen Krug alleine austrinken!"
Einheimischer Bayer: "Warum nacha ned? Wos woas denn so a kloans Kind, wievui a Maß is?"
Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,
im nächsten Leben würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.
Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin,
ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen.
Ich würde mehr riskieren, würde mehr reisen,
mehr Sonnenuntergänge betrachten, bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen.
Ich war einer von diesen klugen Menschen, die jede Minute ihres Lebens fruchtbar verbrachten; freilich hatte ich auch Momente der Freude,
aber wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich versuchen, mehr Augenblicke zu haben.
Falls Du es noch nicht weisst, aus diesen besteht nämlich das Leben;
nur aus diesen Augenblicken.
Vergiss nicht den jetzigen.
Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an bis in den Spätherbst hinein barfuss gehen.
Und ich würde mehr mit den Kindern spielen, wenn ich das Leben noch vor mir hätte.
Aber, sehen Sie...
ich bin 85 Jahre alt und weiss, dass ich bald sterben werde.
dank Charles-Andree
Die Entwicklung der Schulen
Primarschule 1960
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für DM 50.-
Die Erzeugungskosten betragen DM 40.-
Berechne den Gewinn!
Realschule 1970
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für DM 50.-
Die Erzeugungskosten betragen 4/5 des Erlöses.
Wie hoch ist der Gewinn des Bauern?
Gymnasium 1980
Ein Agrarökonom verkauft eine Menge subterraner Feldfrüchte für eine Menge(G) Geld.
G hat die Mächtigkeit von DM 50.-. Für die Elemente aus G = g gilt g = 1.- DM.
Die Menge der Herstellungskosten (H) ist um 10 Elemente mächtiger als die Menge G.
Zeichen Sie das Bild der Menge H als Teilmenge der Menge G und geben Sie die Lösungsmenge L an für die Frage: „Wie mächtig ist die Gewinnmenge W ?“
Integrierte Gesamtschule 1990
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für DM 50.-
Die Erzeugungskosten betragen DM 40.-, der Gewinn DM 10.-
Unterstreiche das Wort Kartoffel und diskutiere mit deinem Nachbarn drüber!
Schule 2000 nach der Bildungsreform
Ein kapitalistisch-priffiligierter bauer bereichert sich one reschtfertigunk an einen sak gartoffeln um 10 Euro.
Untersuch das tekst auv inhaltliche feler, korigire das aufgabenstellunk und demonstrire gegen das losung.
2010
es gipt kene gartofeln mer! Nur noch pom fritz bei mac donald.
Sehr praxisbezogene Hirnforschungsergebnisse für Lehrer finden Sie hier.
Abwehr und Gegenübertragung
bei Aufstellungen über unsere Kriegsvergangenheit
Ein Grund glaube ich, warum die Aufstellungsarbeit heftig angegriffen wird ist, weil sie auch Themen aufgreift aus unserer Kriegsvergangenheit, von unserer Teilhabe oder der Teilhabe unserer unmittelbaren Vorfahren am 3. Reich, am Krieg und an den Nazi- und Kriegs-Verbrechen, die wir bis vor wenigen Jahren auf tiefe Weise verdrängt und abgewehrt haben:
Schuld, Scham, Werte wie Vaterlandsliebe, Loyalität, Ehre, Visionen... - Werte, die im 3. Reich missbraucht und verraten wurden, mit entsprechender Wirkung auf die Seele.
Wenn eine therapeutische Methode an hochgradig Tabuisiertes, Scham- oder Schuld- besetztes, nicht Verarbeitetes erinnert, kann man schon leicht mit heftiger Abwehr reagieren (die Analytiker beschreiben verschiedene Abwehrmechanismen) - vor Allem, wenn diese Tabuisierung kollektiv geschehen ist!
Um diese Themen aufgreifen zu dürfen und zu können, bedarf es eines professionell geschützen Rahmens, in dem ein ehrliches und benennendes Erinnern und Aufarbeiten möglich ist:
Und genau das habe ich (meist mehr als in meinen anderen Therapie- oder Selbsterfahrungs-Gruppen) in der Arbeit des Familienstellens
immer wieder erleben dürfen, und viele Aufsteller-Kollegen bestätigen das.
Die Arbeit wird zu Recht kritisiert, wo dieser Schutz (z.B. durch Unerfahrenheit oder Dogmatismus oder durch unreflektierte
Gegenübertragung) nicht gegeben ist!
Das was jetzt „Trauma“, PTBS (Posttraumatisches Belastungs-Sydrom) nach Kriegserlebnissen genannt werden darf, wurde damals (und ist immer noch aus Scham und Schuld) tabuisiert, verklärt (als heldenhafte Abenteuer) oder bagatellisiert. Das sind klassische Abwehr-Mechanismen. Das Trauma wirkt aber deshalb umso massiver weiter - als systemisch übernommene Verstrickung und beeinflusst die Prägung der Kinder/Nachfahren.
Prof. H. Radebold aus Kassel hat in seinem Buch: „ Abwesende
Väter“ (Vandenhoeck & Ruprecht, 2000) auf diese Folgen aus psychoanalytischer Sicht hingewiesen - er behandelt überwiegend Menschen, die den Krieg als Kinder miterlebt haben.
Prof. Zander aus München, einer meiner Lehrer, hat erst vor Kurzem (aus Angst vor Beschämung?) in seinem Buch: „Zerrissene Kindheit“ (Frankfurt, 1999) seine eigene Kindheit in der Hitler-Jugend beschrieben.Jetzt erst, seit wenigen Jahren, kann auf verschiedenen Ebenen (Bücher, Filme, Politik, Forschungen...) das Thema angeschaut werden und seit vielen Jahren, seit ich diese Arbeit mache, erlebe ich in jedem Seminar mehrere Kriegsfolgen-Aufstellungen: Kriegsteilnahme, Flucht, Vergewaltigungen, Kindheit im Krieg, etc.
Es ist sicher kein Zufall, dass diese Methode in Deutschland entwickelt wurde:
wir haben dringend Bedarf, diese Folgen zum Wohle unserer Kinder und auch unserer Vor- und Nachfahren aufzuarbeiten.
Die Nachwirkungen des 3. Reiches und des 2. Weltkrieges sind vielfältig.
Um nur einige zu benennen:
Das Erleben von Verlust, Schuld, Scham, unverarbeiteter Traumatisierungen, hat auch das Leben der Nachfahren geprägt, v.a., weil es von unseren Vorfahren nicht verarbeitet werden konnte - und das heisst: es muss verdrängt werden, ist nur indirekt im Feld oder als Gegenübertragungsphänomen spürbar. Das heißt: wir nehmen als Therapeuten/Aufsteller ein meist unangenehmes Gefühl wahr, das wir selber auch nicht haben wollen: genau wie die Klienten oder deren Vorfahren!
Besonders unangenehm sind diese Wahrnehmungen, wenn Vergewaltigungen oder Kriegsverbrechen verdrängt und als Verachtung, als eigen erlebte Scham oder Hass in uns als Aufsteller wieder auftauchen!
Ich habe in einer Aufstellung z.B. gesehen, dass nach der Vergewaltigung (1940) ihrer Großmutter eine junge Frau zwei Generationen später eine der aktuellen Situation völlig unangemessene Intensität von Scham und Verachtung (Schamabwehr?) Männern gegenüber spürte - mit Folgen für die Ehe und die Kinder.
Für die Stellvertreter und die übrigen Teilnehmer ebenso wie für den Aufsteller waren diese heftigen Gefühle von Anfang an spürbar - noch
bevor eine "angemessene" Erklärung entstand.
Ich habe daraufhin zu diesem Thema recherchiert:
Allein in Berlin wurden 1945, in den ersten Monaten nach Kriegsende 110 000 Frauen vergewaltigt!
Frauen, die freiwillig oder unfreiwillig Beziehungen (oft mit Kinderfolge) mit Besatzern aufnahmen, wurden als „Ami-Hürle“ oder Verräterinnen bezeichnet!
So eine Beschämung kann nicht verarbeitet, sondern nur verdrängt, tabuisiert oder verleugnet (Abwehrmechanismen) werden und zwar kollektiv!
Und daher kann sie eine systemische Wirkung auf Nachgeborene haben.
Zum Thema Scham und „Scham-Abwehr“ hat die Freiburger Forschungsgruppe „Erinnern und Lernen -Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ mit den Autoren Stephan Marks und Heidi Mönnich-Marks interessante Forschungsergebnisse erarbeitet (www.geschichte-erinnerung.de):
Die therapeutisch geschulten Mitarbeiter dieser Studie interviewten Nazi-Täter über deren Motivation, bei der NS-Bewegung aktiv mitzumachen. Die Interviewten verharmlosten, bagatellisierten oder idealisierten (klassische Abwehrmechanismen) meist ihre Ansichten und Taten. Rein inhaltlich betrachtet wirkten die Interview-Texte relativ banal. Auch wir kennen diese Reaktion, wenn wir vor Aufstellungen nach der NS-/Kriegs-Zeit fragen, wie sehr die härtesten Fakten als z.B. „Das war halt die Zeit damals“ abgetan werden.
Die Interviewer jedoch erlebten bei sich eine intensive Scham, ein sich beschämt-fühlen über das Gespräch mit den Tätern - sie fühlten sich teilweise wie selber schuldig. Die persönlich erlebte Scham ging so weit, dass sie kaum untereinander darüber reden konnten, demotiviert und ablehnend wurden und so das Projekt fast aufgegeben wurde.
Erst eine gemeinsame Supervision zeigte, dass die von den Tätern verharmloste, verdrängte („abgewehrte“) Scham und Schuld als
Gegenübertragungsreaktion beim Interviewer auftrat und zwar heftig!
Dieser Forschungsbericht zeigt, wie bei der Arbeit mit der NS-Vergangenheit, NS-Tätern und ihren Nachkommen, die Scham und Schuld als Gegenübertragungsreaktion beim Therapeuten auftreten kann.
Darüber müssen wir uns als Aufsteller also bewusst sein.
Sonst werden wir, vor Allem bei heftigen Gegenübertragungs-wahrnehmungen leicht zum Blind- „Reagieren“ neigen, also selber abwehren und vielleicht den Klienten ablehnen, beschuldigen oder der Manipulation überführen wollen - Verachtung z.B. ist da ein „beliebter“ Scham-Abwehr-Versuch!
Dabei sind diese Phänomene ganz gewöhnlicher Teil unserer Arbeit, ja sogar, wenn genutzt, sehr wertvolle, unersetzbare Hinweise:
Da wir als Aufsteller diese Wahrnehmungen als „im Feld auftauchend“ bezeichnen können, sind wir besser geschützt vor unserer eigenen abwertenden Reaktion den Klienten gegenüber und können sie als wertvolle Informationen die Konfliktdynamik/Verstrickung betreffend
nutzen.
Die neuere Hirnforschung bestätigt die Erkenntnisse der Analyse und Bindungsforschung (A. Schore, New York, 2003) über die Entstehung dieser Phänomene: Über die unbewusste noch vorsprachliche Bindungsbeziehung des Kleinkindes zur Mutter und auch zum Vater erspürt es deren Belastungen und Konfliktdynamiken wie als zu sich gehörig, ohne sie benennen zu können und verinnerlicht sie.
Wenn wir als Aufsteller oder Stellvertreter in den Rollen diese Phänomene im (ja nur aufgestellten) Familienfeld so heftig spüren können,- wie sehr muss da im realen Familienfeld ein Kind erst die abgewehrten Themen spüren!
Der Autor hat auch aufgezeigt, wie respektvoll und offen, frei von vorschnellen Bewertungen der therapeutische Raum sein muss, damit solche Scham-Themen ans Licht kommen können, ohne erneut zu traumatisieren!
Und wie gut der Therapeut auch bzgl. der Reflexion, das Gewahrsein seiner Gegenübertragungsgefühle ausgebildet sein muss!
Ein (stark verkürztes) Beispiel einer Familienaufstellung:
Ein Klient berichtet von der Todessehnsucht seines 15-jährigen
Sohnes:
Im Familienaufstellungsbild (wir stellen das Herkunftssystem des Klienten auf) steht dieser Sohn des Klienten ganz nah bei seinem Großvater mit gleicher Blickrichtung. Der Stellvertreter des Großvaters spürt schwere Last und Schuld. Sein Enkel spürt das Gleiche.
Als jemand in die Blickrichtung des Großvaters gestellt wird, wird die Last des Großvaters noch heftiger und die Schuld noch deutlicher.
Aber auch die dazugestellte Person spürt schwere Schuld und Scham!
Bei mir als Aufsteller kommt allmählich immer mehr ein äußerst unangenehmes Gefühlsdurcheinander auf; ich möchte diese Aufstellung möglichst schnell beenden: „das bringt ja eh nix, das hat ja gar nichts mit dem zu tun, was die Klientin vorher gesagt hat, die Stellvertreter kochen da ihr eigenes Süppchen, die liegen doch völlig daneben".
Eine Art Verachtung den Stellvertretern gegenüber kommt bei mir auf.-
Als ich (mit dieser Gegenübertragungsreaktion) einfach dabei bleibe, und etwas davon mitteile, kann sich der Klient auf Nachfrage jetzt an ein „Gerücht“ erinnern:
Es habe eine tabuisierte Begebenheit im Wohnort des Großvaters unmittelbar nach dem Krieg gegeben, welche diesen völlig verändert habe, seither sei dieser hart und völlig verschlossen geworden.
Nach Aussagen von Großonkel und -tante habe der Großvater „jemanden denunziert“, der vielleicht dadurch zu Tode kam.
Im Familien-System spürte das Kind diese tabuisierte Schuld und die Beschämung über diese Untat (und die Ambivalenz über die eventuelle Gerechtigkeit?).
Das Ans-Licht-Kommen dieser Dynamik und die Würdigung des Schicksals beider Personen hat eine erleichternde Wirkung auf den Stellvertreter des gefährdeten Sohnes und auf den Klienten.
Hier wird auch deutlich, wie wach wir bei den zunächst mal abwertenden eigenen Gefühlen bleiben müssen.
Zum Schluss noch ein Hinweis auf ein Buch aus einer anderen
Familientherapietradition:
Evan Imber-Black, eine international sehr anerkannte amerikanische Familientherapeutin, hat in ihrem kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Buch "Die Macht des Schweigens - Geheimnisse in der Familie" (Klett-Cotta 1998) eine Fülle von Erfahrungen zusammengetragen, die unser Bewusstsein und vor allem unser Herz für die tiefe Verbindung von Kindern mit ihren Nächsten in Familien weit öffnen können.
Vielleicht können wir auf diesem Hintergrund die Kritik an der Aufstellungsarbeit etwas mehr nutzen.
Eigener Artikel über Hirnforschung und Gegenübertragung in der Familienaufstellungsarbeit erschienen in "praxis der systemaufstellung" 5. Jg. 2/2004 / S/20
Die meisten von uns Familienaufstellern kennen die Szene: Bert Hellinger sitzt vor einer Aufstellung nahe beim Klienten - und beide schweigen, manchmal lange. Auch wir kennen wahrscheinlich diese Erfahrung aus der eigenen Arbeit.
Was geschieht da?
Es ist ein Sich-Sammeln, eine Einladung an den Klienten, sich zum Wesentlichen hin zu bewegen.
Aber ich meine, da passiert viel mehr - bereits inhaltlich Wesentliches.
Eine weitere uns aus Bert`s und aus der eigenen Arbeit bekannte Szene:
Der Aufstellungsfluß stockt, nichts geht mehr weiter, keine der Ideen oder der Mitteilungen scheinen mehr zu passen oder weiterzuführen.
Wenn wir uns dann auf dieses „Nichtwissen“ einlassen, dem zustimmen, kommt oft die entscheidende Frage oder Wahrnehmung, die vorher nicht zugänglich war.
Was geschieht da?
Neben dem Respekt vor dem Nicht-erklärbaren, dem Größeren, der Seele, das nicht erklärt werden darf und kann, gibt es nun aus den Forschungsbereichen Neurobiologie (Hirnforschung), Entwicklungspsychologie (Säuglingsforschung) und Bindungs-(attachement)-Psychologie spannende Ergebnisse, auf die ich im Folgenden eingehen möchte. Diese Ergebnisse können wir nutzen für die Professionalisierung unserer praktischen Arbeit und für den Umgang mit der oft heftigen Kritik an dieser systemischen Arbeit.
Rechtshirnige Kommunikation
Allan Schore (1) hat Hunderte von Forschungsergebnissen aus den oben genannten Disziplinen zusammengetragen.
Üblicherweise gehen wir ja davon aus, dass unsere linke Hirnhälfte mit sprachlicher, verstehender Funktion dominant ist, und die rechte Hirnhälfte im Hintergrund unsere Gefühle regelt.
Die Phänomene, die im sogenannten „Feld“ bei Aufstellungen wahrnehmbar sind, werden jedoch rechts-hirnig vermittelt - wir reden, deuten und erklären (=linkshirnig) ja auch nur sehr wenig, in den „Bewegungen der Seele“ fast gar nichts!
Bei Familienaufstellungen steht also rechtshirnige Kommunikation im Vordergrund.
Diese rechtshirnige, nichtsprachliche Vermittlung von unbewussten Erfahrungen kennen die Psychoanalytiker und Tiefenpsychologen seit Langem als Gegenübertragung und u.a. als „Projektive Identifikation“.
Frau Almut Grosse-Parfuß (2) hat in einer der letzten Ausgaben der „Praxis der Systemaufstellungen“ die Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene und die verschiedenen identifikatorischen und projektiven Vorgänge sehr differenziert beschrieben.
Wenn ein Trauma oder andere unerträgliche Belastungen den Bindungskontakt prägen (unterbrochene Hinbewegung), erspürt das Kind über die vorsprachliche Bindungsbeziehung zur Mutter und zum Vater (oder zu anderen Ahnen) deren Belastungen und Konfliktdynamiken wie zu sich selbst gehörig.
Es nimmt diese Signale anders als verbal auf: durch Mimik, Gestik, Tonfall der Stimme, nicht bewusst kontrollierbare Gesichtsausdrucksveränderungen aller möglichen Arten, Blick, Pupillenweite Schnelligkeit von Stimme und Bewegung. Durch diese Art von Erfahrungs- und Informationsvermittlung bleiben die Prägungen nicht bewusst benennbar und werden verinnerlicht im impliziten, emotionalen Gedächtnis. (1)
Es sind vor allem die nicht aushaltbaren, nicht verarbeiteten und deshalb nicht bewusst gewordenen Erfahrungen, die unser Erleben mit uns selbst und mit Anderen, unser Handeln und sogar unsere Wahrnehmung bestimmen. Sie sind präverbal, also gar noch nicht verbal benennbar und prägen uns, ohne dass wir es „wissen“. Wir können auch nicht darüber reden oder sie reflektieren, und doch bestimmen sie unser Gefühls- und Beziehungsleben.
Im Familienstellen können die Klienten nun diese Erfahrungen „rechtshirnig“ kommunizieren: Therapeut und Stellvertreter spüren deren nicht gewussten, aber immer unbewusst vorhandenen Informationen als Körper-, Beziehungs- und Gefühlswahrnehmung und teilen sie mit.
Spiegeln
Dieser Vorgang, in dem sich der Klient also zunächst erst mal gespiegelt sieht und endlich das Unbenennbare benannt wird, ist bereits heilsam! Da es sich aber oft um unerträgliche Gefühle handelt, und die Stellvertreter dies auch ausdrücken, sieht der Klient sich auch gewürdigt in seiner Wahrheit: „es ist nicht auszuhalten“!
Aber nicht ganz: die Stellvertreter zeigen auch, dass man als Erwachsener jetzt schon aushalten kann, was für das Kind nicht möglich war.
Eine Klientin hat ihre Aufstellung-Erfahrung beim Gespiegelt-werden auf ihrer website (http://www.missbraucht-privat.de/) beschrieben:
Ich zitiere: „Während die beiden Stellvertreter über ihre Gefühle berichteten und ich erstmalig "sehen" konnte, wieviel Angst dieses Kind jahrelang hatte, wie es zitterte und am ganzen Leib fror, wie alleine es sich fühlte, wie hilflos, wie erstarrt, war ich total entsetzt. Ich wäre am liebsten in diese Aufstellung hinein gegangen, um dieses kleine, zarte Wesen in den Arm zu nehmen, da die Mutter, ebenso erstarrt, dazu nicht in der Lage war. Ich spürte die Wut auf die Mutter in mir. Doch ich erlebte erstmalig
neben diesem Schmerz etwas völlig Neues
- eine tiefe Liebe und unbeschreiblichen Respekt vor diesem Kind, welches
diese Gewalt überlebt hat !!!
Das Wort "Überlebende" zu sein, hat jetzt, nach der Aufstellung ein völlig neue Bedeutung für mich. Ich bin nicht mehr das Opfer !!! Ich kann die Kraft des kleinen Mädchen fühlen und bin sehr stolz darauf. Ich bin stolz auf mich !!! Ich bin OK !!! Ich habe das Gefühl, erst nun geboren zu sein“
Die Klientin ist für das Spiegeln der Körper- und Gefühlswahrnehmungen offen, nicht aber für (zu frühe) erklärende und Verstandesmitteilungen. Die Kommunikation muß also auch von Stellvertreter/Therapeut zu Klientin rechtshirnig laufen!
Sogenannte Spiegel-Neurone, die zwei italienische Forscher aus Parma, Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti (3), entdeckten, könnten bei diesen Vorgängen eine Rolle spielen: diese Neuronen im Gehirn (Nervenzellen, die wir alle besitzen), haben die Fähigkeit, das vom Gegenüber gespürte wie als das Eigene wahrzunehmen: eine Beschreibung von Einfühlung und Empathie.
Selbstorganisation
Als Stellvertreter und v.a. als Aufstellungsleiter müssen nun wir das Gespürte, Erlebte lange genug (aus)halten, „containen“.
Solange, bis
Wie geschieht das?
Es mutet immer wieder wie ein Wunder an, wie die Seele einen Lösungsweg findet. Wenn wir spüren und dabeibleiben (containen) beginnt eine erstaunliche Selbstorganisationsfähigkeit zu wirken.
Wenn es dem Therapeuten gelingt, den Raum für das Spüren der Verstrickung angemessen lange zu halten, kann sich die Öffnung für die Selbstorganisation entwickeln. Dies gibt dem Klienten eine (wenigstens z.T.) verarbeitete und verstandene bewusster gewordene Erfahrung wieder,
mit der er oder sie alleine weiter arbeiten kann.
Aber es gibt ihm auch Vertrauen in diese Selbstorganisation, die wirken kann, wenn ein offener, wertungsfreier, gehaltener Raum zur Verfügung gestellt wird.
Die Erfahrung im phänomenologischen Arbeiten zeigt, dass diese Wirkung der Selbstorganisation bisher unorganisierter (unverarbeiteter) Erfahrungen, Erinnerungen oder Verstrickungen nur in so einem offenen Raum der Präsenz und des Getragenseins stattfinden kann.
Hunter Beaumont, dem ich sehr viel verdanke, bietet in seiner phänomenologischen Selbstforschungs-Arbeit viel Gelegenheit, diese Qualität zu erforschen und zu finden.
Die Arbeit so anzubieten, erfordert vom Aufsteller eine gründliche Qualifizierung:
eine langjährige Übung in Präsenz, ein Sich-Auskennen in diesem wertungsfreien, offenen und getragenen Raum, und die Fähigkeit, dies nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Teilnehmer in heftigen Gefühlserfahrungen anbieten zu können.
Abwehr
Als Aufsteller werden wir öfters mit der „Abwehr“ des Klienten konfrontiert sein.
Abwehr heißt hier, daß der Klient einen Schritt in der Aufstellung zu vermeiden oder zu verhindern sucht, den er als gefährlich oder bedrohlich für sich einschätzt.
Eine im emotionalen Gedächtnis gespeicherte, früher tatsächlich bedrohliche Erfahrung wird getriggert. Dazu reicht eine nur vage ähnliche Situation - und Aufstellungen bieten dazu ja reichlich Gelegenheit.
Der Klient wähnt sich sozusagen wieder in der alten (kindlichen) traumatisierenden Situation. Und das geschieht in Sekundenbruchteilen: Die Neurophysiologen haben festgestellt, dass die Nervenleitungsgeschwindigkeit dieser Gedächtnis-Hirnstrukturen etwas schneller als die unseres bewussten Denkens ist! Bevor man sich also bewußt ist , überwältigt einen schon z.B. eine alte Angst. Und Sich-wehren ist blitzschnell angesagt, geschieht automatisch.
Traumatisierte oder systemisch stark belastete Klienten, und mit solchen haben wir oft zu tun, haben aber gerade eine besonders leicht triggerbare und überschießende Abwehrbereitschaft. Wir müssen damit also geradezu rechnen! (5)
Wenn sich der Klient also „wehrt“, z.B. versucht, bei Gefahr in Windeseile die Kontrolle über das Geschehen zu gewinnen, so dürfen wir das nicht als bewussten Versuch, uns zu kontrollieren oder zu manipulieren auffassen.
Wir könnten es als einen „Notrettungsversuch“ auffassen, um wieder eine gewisse Kontrolle über die gefährliche Situation zu gewinnen.
Wir sollten also die Aufstellung dann nicht mit einer entsprechenden Beschuldigung abbrechen.
Ein Beispiel aus meiner Arbeit:
Ein Klient weigert sich an einer Stelle der Aufstellung heftig dagegen, daß der Stellvertreter des Vaters weiter eine Rolle spielen sollte, mit der Begründung „es ginge nur um die Mutter“.Diese alten Prägungen im emotionalen Gedächtnis des Klienten lassen ihn natürlich zunächst mal den Therapeuten als Bedroher und sich als Opfer erleben.
Auch wir Therapeuten haben natürlich Reaktionsmuster, die uns blitzschnell reagieren (d.h. uns davor schützen) lassen. Z.B. bei eigenen alten Mustern oder bei Manipulationsversuchen oder wenn wir „ungerechterweise“ als Bedroher hingestellt werden, wo wir es doch so gut meinen.Scham-Abwehr
Eine besondere Form der Abwehr eines der unangenehmsten Gefühle, die wir kennen, die Abwehr der Scham, taucht bei Aufstellungen oft im Kontext von Kriegsereignissen, speziell beim Thema Nazi-Vergangenheit auf.
Über „Scham-Abwehr“ hat die Freiburger Forschungsgruppe „Erinnern und Lernen -Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ mit den Autoren Stephan Marks und Heidi Mönnich-Marks interessante Forschungsergebnisse erarbeitet, die für uns Aufsteller sehr unterstützend sind. (6)
Der Forschungsbericht zeigt, wie bei der Arbeit mit der NS-Vergangenheit, NS-Tätern und ihren Nachkommen, die Scham und Schuld nicht beim Täter, sondern beim Therapeuten auftreten kann: als Gegenübertragungsreaktion.
Was ist damit gemeint?
Die therapeutisch geschulten Mitarbeiter dieser Studie interviewten Nazi-Täter über deren Motivation, bei der NS-Bewegung aktiv mitzumachen. Die interviewten Täter verharmlosten, bagatellisierten oder idealisierten (klassische Abwehrmechanismen) meist ihre Ansichten und Taten und reagierten oft verächtlich. Sie spürten die Scham über ihre Täterschaft nicht.
Rein inhaltlich betrachtet wirkten die erarbeiteten Interview-Texte relativ banal.
Die Interviewer jedoch erlebten bei sich eine intensive Scham, ein sich beschämt-fühlen über das Gespräch mit den Tätern - sie fühlten sich teilweise wie selber schuldig. Die persönlich erlebte Scham ging so weit, dass sie kaum untereinander darüber reden konnten, demotiviert und ablehnend wurden und so das Projekt fast aufgegeben wurde.
Erst eine gemeinsame Team-Supervision zeigte, dass die von den Nazi-Tätern verharmloste, verdrängte („abgewehrte“) Scham und Schuld (als Gegenübertragungsreaktion) bei den Interviewern auftrat und zwar heftig!
Auch wir kennen diese Reaktion, wenn wir vor Aufstellungen nach der NS-/Kriegs-Zeit fragen, wie sehr die härtesten Fakten als z.B. „Das war halt die Zeit damals“ bagatellisierend abgetan werden, oder die Beteiligten
verächtlich angeschaut werden. Nachdem ich meine Aufmerksamkeit diesbezüglich geschult habe, konnte ich entsprechende Phänomene differenzierter wahrnehmen:
Stellvertreter oder ich als Aufsteller erlebten die Scham oder die Schamabwehr (z.B. Verachtung...) plötzlich heftig. Bezogen auf die Dynamik war dann immer eine abgewehrte Scham eruierbar - und dies half
entscheidend für die Findung der Verstrickung und der Lösung.
Wenn so heftige und verleugnete Emotionen aus unserer Nazi-Vergangenheit in Familienaufstellungen regelmäßig ans Licht kommen, ist eine Abwehr auch durch die Gesellschaft nicht vermeidbar. Wir müssen damit rechnen, daß unsere Arbeit auch deswegen heftig bekämpft wird und deshalb besonders professionell arbeiten.
Es wird deutlicher, wie unabdingbar eine regelmäßige Supervision für Aufsteller ist. Eine professionelle Haltung werden wir nur so erreichen.
Zugehörigkeit
Eine neurobiologische Untersuchung möchte ich noch gern erwähnen, weil sie eine besondere Relevanz für uns Aufsteller hat.
Sie untersucht Aspekte der Zugehörigkeit zu einem System, und die spielt in der Aufstellungsarbeit ja eine große Rolle.
Wir alle kennen die massiven Folgen, die es für den Einzelnen und das System hat, wenn die Zugehörigkeit verletzt wird, wenn z.B. jemand ausgegrenzt wird.
N. Eisenberger und M. Liebermann von der University of California, L.A. (7) ließen Versuchspersonen an einem Computer-Ballspiel mit virtuellen Mitspielern teilnehmen.
Sie nahmen dabei Messungen des Gehirns bei den Probanden vor, sogenannte fMRI-Untersuchungen („functional magnetic resonance imaging“). Dabei wird die Aktivität einzelner Hirnbereiche abgebildet.
Wenn die Probanden -vorgeblich wegen eines Software-Defekts von den virtuellen Spielpartnern von der Teilnahme am Spiel ausgeschlossen wurden, so reagierte das Gehirn nicht anders als beim Mitspielen-dürfen.
Wurden sie jedoch ohne Erklärung einfach nicht mehr angespielt, fühlten sie sich ungerechterweise ausgeschlossen und reagierten gekränkt und verletzt. Im Hirnbild reagierten die zuständigen emotionalen Zentren mit vermehrter Aktivität. Aber erstaunlicherweise reagierten auch die Hirnareale, die für die Wahrnehmung des physischen Schmerzes zuständig sind!
Ausgeschlossen werden tut also nachweislich weh - wie sehr wohl aber erst, wenn es sich um reale nahe Verwandte handelt, die uns ausschließen!
Rechtes Hirn zu Rechtem Hirn
Das Familienstellen ist also ein Vorgehen, das auch durch Erkenntnisse der neueren neurobiologischen und entwicklungspsychologischen Erkenntnisse unterstützt wird.
Der Neurobiologe Roth fand: „Das bewusste Ich ist nicht in der Lage, über Einsicht seines emotionalen Verhaltens oder durch Willensentschluss Strukturen zu verändern - dies kann nur über die bewegende emotionale Interaktion geschehen.... nur durch das Reden kann psychische Bereitschaft nicht geändert werden“. (8)
Und das genau leitet uns auch beim Familienstellen.
Wir kommunizieren also nicht „Top -> down“, also vom bewussten sprechenden (linkshirnigen) Verstand aus.
Die in rechtshirnigen Strukturen eingeprägten Verstrickungen oder Traumatisierungen (im emotionalen Gedächtnis) erreichen oder verändern wir nicht durch erklären und deuten. (9)
Es gelingt aber, wenn die Stellvertreter dem Klienten auf emotional nachvollziehbare Weise die Prägungen spiegeln.
Das dann folgende Sprechen dient dann dem Verstehen, dem Einordnen und Wiedererinnern.
Das Verständnis, das sich dann daraus entwickelt, stammt nicht aus einem Konzept , sondern bildet erlebte Wirklichkeit ab.
Die Fähigkeit des Gehirns und der Seele (ohne dass wir sie definieren könnten oder dürften) sich selbst zu organisieren in einem heilsamen, stimmigen Sinne, bedarf eines offenen, nichtwertenden Raumes: durch die Präsenz des Aufstellers.
Eine gute Meditationspraxis ist hilfreich.Literaturempfehlung: ein Hirnforschungsbuch auch für Laien auf Deutsch:
Joachim Bauer: Das Gedächtnis des Körpers, Frankfurt, 2002
Anmerkungen:
(1) Allan Schore: Affect Regulation and the repair of the self“, New York 2003
(2) Almuth Grosse-Parfuß: Familienstellen und Psychoanalyse in Praxis der Systemaufstellungen 2/2003
(3) Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti von der Universität Parma, in „New Scientist“, Jan. 2001
(4) Fangauf Ulrike: Zukunft der Psychotherapie, Dtsch. Ärzteblatt PP 2 Dez. 2003, S/563
(5) Grawe Klaus: „Von der Verhaltenstherapie zur Neuropsychotherapie“, Bern aus der Homepage des bvvp
(6) Stephan Marks und Heidi Mönnich-Marks: www.geschichte-erinnerung.de
(7) N. Eisenberger und M. Liebermann: news release der University of California, L.A., 10.10.2003
(8) Gerhard Roth: „Fühlen, Denken, Handeln“, 2001
(9) Allan Schore: „Bindung, Rechtshirn und Lebensbewältigung“ aus dem ZIST-Programm 2004
(10) Richard Davidson über Effekte der Meditation auf die Hirnktivität in New Scientist 178, 2003, S.44
Einen Artikel zum Thema Nationalsozialismus und Scham, Schamabwehr finden Sie hier
Den Vortrag zu Martin Buber von Thomas Hafer finden Sie hier
Angesichts der Klima-Krise: Texte zu diesem Thema,
"Sich selbst erforschen - als tägliche Praxis und spiritueller Weg"
von Josef Rabenbauer und Gabriele Michel.
Mit Übungen und Exkursen in die Neurobiologie und einem Vorwort von Hunter Beaumont.
Im Buchhandel oder beim Arbor Verlag (Leseprobe oder Bestellung).
A.H. Almaas. Alle Bücher von Almaas sind sehr empfehlenswert: Ein spritueller Weg mit Selbstforschung, der neben dem östlichen Weg auch die Erkenntnisse der neuesten Psychodynamischen Forschung nutzt.
Einführung: John Davis: "Der diamantene Weg" (Diamond Approach")
Zu Objektbeziehungen: A.H. Almaas "The Pearl Beyond Price"
Zu Narzissmus: A.H. Almaas "Point Of Existence", Shambala Verlag www.ahalmaas.com und youtube.
Hunter Beaumont, Auf die Seele schauen. Spirituelle Psychotherapie, Kösel-Verlag (2008)
Byron Brown: Die Befreiung vom Inneren Richter, Kamphausen Verlag
Sandra Maitri, eine Schülerin von Almaas schreibt sehr schön über das Enneagramm
Sherry Ruth Andersen: Ripening Time, changemaker-books.com
Neuere Hirnforschung: Joachim Bauer, Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern, Eichborn-Verlag, u.a. Bücher
Das beste, umfassenste Buch über Familienstellen auf Englisch (gibts aber auch hier im C. Auer-Verlag): Bert Hellinger, Hunter Beaumont, G.Weber: "Love`s Hidden Symmetry"
Luise Reddemann: CD mit Übungen zur Arbeit mit dem Inneren Kind
E. Chopich, Aussöhnung mit dem inneren Kind + Arbeitsbuch + Cassette (Bauer-Verl.)
Zu unserer nationalsozialistischen Vergangenheit zwei hervorragende Artikel zu Scham und Schamabwehr: von der AG Geschichte und Erinnerung und vom Forum Qualitative Sozialforschung
Simone Regina Adams: Die Halbruhigen, Aufbau-Verlag - ein Roman einer Kindheit in einer Psychiatrieumgebung
Phänomenologisches Arbeiten heisst für mich: ganz nah an der spürbaren Erfahrung und am Erleben zu bleiben und auf Deutungen — so weit es geht — vorläufig zu verzichten. Dazu Steve de Shazer: „Wenn dir eine Deutung einfällt, nimm eine Aspirin und warte, bis der Anfall vorbei ist!“
Ich schöpfe aus meiner persönlichen und therapeutischen Erfahrung mit tiefenpsychologischen, gestalttherapeutischen und körpertherapeutischen Methoden, Familien-Aufstellungen sowie der Arbeit mit Hunter Beaumont, Gila Rogers undder Ridhwanschule von Almaas.
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